Franziskanische Fastenzeit

Mit dem Begriff Fastenzeit verbinden wir meistens die 40 Tage der Vorbereitung auf das große Osterfest. Jene Zeit, die seit jeher in der Kirche die Katechumenen auf dem Weg zur Taufe (in der Osternacht) begleitet und in die Geheimnisse des Glaubens einführt. Doch auch für die schon Getauften ist es eine willkommene Gelegenheit, sich der Taufversprechen eingedenk zu sein und in der Hingabe zu Gott zu wachsen und sich zu erneuern.
Die Fastenzeit ist also nicht ein Ziel in sich selbst: Es steht nicht im Vordergrund, wie viel ich faste, worauf ich alles verzichten kann. Es gilt das wahre Ziel niemals aus den Augen zu verlieren. Die lebendige Begegnung mit Gott – das Erinnern an die großen Taten, die er vollbringt. Die Fastenübungen sind ein wichtiger Wegbegleiter, niemals der Weg selbst!

40 Tage

Dabei spielt die Zahl 40 eine wichtige Rolle und deshalb dauert auch die Fastenzeit 40 Tage (die Sonntage werden nicht mitgezählt!): 40 Tage verbrachte Moses auf dem Berg, um Gott zu begegnen und von ihm die Bundestafeln zu bekommen (Ex 24,12-18); 40 Tage tyrannisierte Goliath das Volk Gottes, bis er schließlich von David besiegt wurde (1Sam 17,16-41); 40 Tage ging der Prophet Elias durch die Wüste, um am Berg Horeb eine der wohl schönsten und einprägendsten Begegnung mit Gott zu haben (1Kön 19,8-14); ermutigt durch die Worte Jonas, fasteten die Einwohner Ninives für 40 Tage (Jon 3,4-11). Die wohl bekannteste Zeitspanne dieser Art wird uns von Jesus selbst geschenkt, der sich 40 Tage in die Wüste zurückzieht, wo er versucht wird, aber in seinem Gottesvertrauen nicht zu Fall kommt.

Christusähnlichkeit

In seinem Bestreben, Christus ähnlich zu werden, hat der heilige Vater Franziskus diese Zeit des Fastens, der Stille, der unermüdlichen Suche nach Gott geliebt und gepflegt. Getrieben davon, durch die Feste, die uns die Geheimnisse Jesu vor Augen führen, belies es Franziskus nicht nur bei der einen, uns allen bekannten, Fastenzeit – jene, die uns auf Ostern vorbereitet, sondern er weitete diese für ihn so segensreiche Zeit auch auf andere Feste aus.
Bei Franziskus können wir folgende Fastenzeiten unterscheiden:
Die 2 großen Fastenzeiten:
a)  Die vorösterliche Fastenzeit – die Vorbereitung auf das Fest des Leidens, Sterbens und Auferstehens unseres Herrn Jesus Christus. Sie beginnt, wie auch heute noch, mit dem Aschermittwoch.
b)  Die vorweihnachtliche Fastenzeit (vom Hochfest Allerheiligen bis Heilig Abend) – die Vorbereitung auf die Menschenwerdung des Herrn und das Erkennen der Demut Gottes, der sich zum Diener aller macht.

Weitere Fastenzeiten

Die Fastenzeit von der Erscheinung des Herrn

Genannt auch die „gesegnete Fastenzeit“: Durch diese Fastenzeit wollte Franziskus einen Bogen zwischen den zwei großen Festen von Weihnachten und Ostern spannen. Diese Zeit musste nicht gerade 40 Tage betragen, schloss aber gleich an die große vorösterliche Fastenzeit kann. In der ersten Regel war sie für alle Brüder verpflichtend, später wurde es ihnen nur nahe gelegt. Doch Franziskus war überzeugt, dass es eine segensreiche Zeit sei!

Die Fastenzeit vom Fest der Apostel Petrus und Paulus (29.6.) bis Maria Himmelfahrt (15.8)

Eine Fastenzeit, durch die Franziskus seine Verbundenheit zur Kirche, zu ihrer Leitung in der Person des Papstes und der Bischöfe zum Ausdruck bringen wollte! Höhepunkt dieser Fastenzeit ist das große Marienfest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Franziskus meditierte über Maria als Modell der Kirche, als jener Mensch, der Gott bedingungslos sein „Ja“ geschenkt hat.

Die Fastenzeit zu Ehren des Hl. Erzengel Michaels

Der hl. Erzengel Michael (Darstellung in Monte Sant´Angelo (Apulien)

Diese Fastenzeit hielt Franziskus nur für sich, er verpflichtete die Mitbrüder nicht dazu. Er begann sie mit dem Festtag „Maria Himmelfahrt“ und beendete sie am Festtag des Erzengels (29.9.). In dieser Zeit meditierte Franziskus vor allem die eschatologische Dimension seines Christusglaubens: Das Erwarten der Wiederkunft des Herrn, das Vorbereitens auf das himmlische Jerusalem, der Kampf gegen das Böse (deshalb die große Verehrung des Erzengel Michael). Während dieser Fastenzeit erhielt Franziskus 1224 am dem Berg LaVerna die Wundmale (Stigmata).

Zeitspanne von 200 Tagen

Wenn wir diese Zeiten zusammenfassen ergibt sich eine Zeitspanne von 200 Tagen, an denen Franziskus fastete oder sich an stille Orte zurückzog: Zwei Drittel seines Lebens verbrachte er in Stille, in Zurückgezogenheit. Wenn jemand da von Flucht aus der Welt spricht, dann hat er einiges missverstanden: Gerade durch diese Zeiten hat Franziskus nicht nur sich selbst geändert, sondern auch seine (Um-)Welt.Was ist das typische an der Franziskus-Fastenzeit (gleichsam franziskanischen Fastenzeit)?
Franziskus erfindet nicht das Rad neu, sondern er versucht dem ihm von der kirchlichen Tradition geschenkten Zeiten, wie der Fastenzei, sein persönliches Merkmal und seine Eigenheit zu schenken. Diese Zeiten sollen ihm helfen, die Tiefe der Berufung zu entdecken und zu pflegen: Gott immer mehr als Mitte zu erfahren. Das Evangelium zu sein – die Frohe Botschaft! – die Gott für Heute uns anvertraut.

Eine bestimmte und prägende Zeit

Für Franziskus sind die verschiedenen Fastenzeiten eine Zeit der:

Armut: In seinem Zurückziehen wollte Franziskus nicht nur von anderen Menschen ungestört sein, sondern sich auch von den Dingen loslösen. Nichts sollte ihn von Gott ablenken. Aber nicht in einer falschen Logik, dass alles schlecht ist. Durch die Begegnung mit Gott und in der Erfahrung der persönlichen Armut (des nichts Besitzen), entdeckt Franziskus den Wert seines eigenen Lebens, jenes der Mitmenschen und der Umwelt. Er will nichts besitzen, um ganz von Gott besessen zu sein und ihm zu dienen. In jedem Augenblick. Im Hier und Heute.
Wüste: Durch sein ständiges Meditieren der Heiligen Schrift, hatte Franziskus gelernt, dass Gott, wenn er persönlich zu jemanden sprechen wollte, diesen in die Wüste (an einsame Orte) führte. Deshalb zog sich Franziskus von allen und allem zurück, um ungestört für Gott dazu sein, auf ihn zu hören und sich durch die Begegnung mit ihm formen zu lassen.

Kasteiung: Es ist nicht das Bestrafen des Bruders Körper, sondern der Versuch, ein „neuer Mensch“ zu werden – die Taufgnade auf besondere Art und Weise zu leben und sich dadurch gestalten zu lassen. Es ist der ständige Kampf gegen das Böse, dem sich Franziskus stellt und wo er versucht, immer mehr Raum für Gott zu schaffen: Er soll in seinem Herzen herrschen. Franziskus will durch Fasten, durch lange Zeiten des Gebetes, sein ganzes Leben – Leib und Seele – zu Gott führen. Sein Leben soll Gottesdienst durch und durch sein. All das Tun von Franziskus ist nicht Ausdruck von Hass seinem Leib gegenüber, sondern eine neue Logik der Liebe!

Die Schönheit der Schöpfung und die Freude darüber: Franziskus war und bleibt ein „Feinspitz“ – in allem konnte er Gott erfahren und genießen. Mit all den Sinnen seines Leibes. Wenn wir heute die Orte aufsuchen, an denen Franziskus sich zurückgezogen hat, verstehen wir diesen letzten Punkt: Er wollte sich mitten in der Schöpfung geborgen wissen, gleichsam in der liebenden Hand des Schöpfers. Das Gute und das Schöne genießen und schätzen lernen. Diese „natürliche“ Harmonie, sich als ein Teil der Schöpfung entdecken und wissen. Durch den Gesang der Natur, Gott durch und in Christus loben! In dieser Logik begreifen wir auch seine Vogelpredigt; erkennen wir, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass Tiere ihm in seinem Gebet und in seiner Zurückgezogenheit beistanden. Franziskus hat die Sprache entdeckt, mit dem er sich verständlich machen kann: Die Liebe des Schöpfers. Wahrscheinlich wird es uns nicht möglich sein, so viel Zeit aufzubringen. Aber vielleicht könnten wir während dieser Zeit, in der Franziskus sich zurückzog, uns selbst hie und da mit einem Moment des Gebetes beschenken.

Viele Möglichkeiten gibt es:
– Ein bewusstes Fasten (Verzichten) an einem Tag der Woche.
– Sich Zeit schenken, die Schöpfung in unserer Umgebung zu entdecken und dem Rhythmus der Schöpfung Gehör zu schenken.
– Einmal nachts, wenn alles ruhig um uns ist, aufzustehen, um in der Stille zu hören und zu beten.
– Den Tag ganz bewusst review passieren zu lassen, um die Spuren Gottes zu entdecken
– Meinen Körper als Tempel Gottes entdecken – ihm zu befreien, von dem, was ihn belastet.
– Während meiner Arbeit mir fünf Minuten gönnen, um mir bewusst zu werden, was ich tue und warum: Ist mein Arbeiten ein Ausdruck meines Gottesdienstes?
– Meine Mitmenschen neu entdecken. Versuchen mich ihn sie hineinzudenken und nicht immer mit Vorurteilen arbeiten.
– Mich als lebendigen Baustein der Kirche Gottes entdecken – Franziskus hat die Kirche aus dem Inneren heraus erneuert. Er blieb ihr, trotz manch ihrer Verfehlungen, immer treu!
– Maria als Lebensmodell neu entdecken: Als die, die bedingungslos „JA“ sagt, als die, die alles in ihrem Herzen bewahrt.Wir wünschen viel Erfolg. Und es lohnt sich…wer sich Zeit nimmt, entdeckt, dass er nicht Zeit verliert, sondern Lebensqualität gewinnt.