Ein Ordensgelübde (Profess von lat. professio = Bekenntnis) ist das öffentliche Versprechen eines Novizen in einer Ordensgemeinschaft, nach den Grundprinzipien des Evangeliums innerhalb einer Gemeinschaft und nach einer Ordensregel zu leben.
Bei den Gelübden spricht man auch von den sogenannten Evangelischen Räten – ein Weg, den Christus uns anbietet, um ihm nachzufolgen.
Wir unterscheiden drei Gelübde: Das Gelübde der Armut (bei uns Minoriten sprechen wir vom „nulla di proprio“, also keinen eigenen Besitz zu haben), die Keuschheit und den Gehorsam.
Die Gelübde sollen dem Ordensmann helfen, sich völlig Gott anzuvertrauen und mit ungeteiltem Herzen ihm und den Mitmenschen zu dienen. Arm – weil Gott der Reichtum ist. Die wertvolle Perle, die man gefunden hat und für die alles hergegeben wird (Mt 13,46). Nichts kann und soll uns vom Reichtum seiner Liebe trennen.
Die Keuschheit soll helfen, transparent zu sein: Keine doppelten Gedanken, kein geteiltes Herz, sondern sich ganz Gott und der Gemeinschaft hingeben.
Der Gehorsam lehrt uns, dass das Zuhören, das aufmerksam Hören, in unserem Leben wichtig ist. Auf Gottes Stimme hören, um den richtigen Weg zu finden. Es geht darum, seinem eigenen Willen Grenzen zu setzen und nicht immer nur an sich selbst denken.
Die Gelübde werden nach 1-2 Jahren Postulat und einem Jahr abgelegt: Meist für drei Jahre, wobei man hier von den zeitlichen Gelübden spricht. Nach drei Jahren kann der einzelne Bruder überlegen, ob er die Gelübde noch verlängert, oder schon die feierlichen Gelübde (für das ganze Leben) ablegt.
In Folge wollen wir die Gelübde unter dem Aspekt der franziskanischen Spiritualität kurz skuzzieren:
GEHORSAM
Bruder im aufeinander Hören
Für Franziskus war der Gehorsam nicht ein blinder Gehorsam, ein Ausschalten des eigenen Willens, sondern ein Unterordnen dem Willen Gottes, wobei der Bruder immer als letztes Kriterium sein Gewissen hatte. In dem Wort Gehorsam steckt die Wurzel «horchen». Die Grundhaltung des Hörens öffnet den Menschen auf das DU und auf die Gemeinschaft hin. Gehorchen meint deshalb, sensibel zu werden für die Bedürfnisse des Bruders auf dem gemeinsamen Weg. Die Offenheit für den Bruder soll sogar die natürliche Liebe der Mutter zu ihrem Kind übertreffen. Wer seinen Weggefährten als Bruder angenommen hat, führt nicht dessen Befehle aus, sondern erspürt seine Bedürfnisse und hält bei sich die Bereitschaft wach, alles zu tun und zuzulassen, was dieser für sein Leben und seinen Dienst braucht.
Das sensible Hören beginnt bei mir selbst: Die leise Stimme Gottes, die in mir spricht und mich zum aufrechten und vollen Menschsein einlädt, erlauschen; mich selbst, meine Bedürfnisse und Gaben wahrnehmen; Träume und Realität zulassen; meine eigene Lebensgeschichte annehmen und weiter gestalten. Sensibles Hören bedeutet weiterhin: mich in meinem Leben nicht abkapseln, sondern mich auf andere Menschen einlassen und mit ihnen gemeinsame Wege gehen. Sensibles Hören gilt schließlich den Menschen, die mir begegnen. Die Armen und Einsamen, die Trauernden und Fremden sollen durch mich erfahren, dass sie angenommen und geliebt sind, dass gerade sie mir zu Brüdern und Schwestern werden.
Sensibles Hören öffnet sich endlich für alle Geschöpfe, ist am Wohlergehen jeder Kreatur interessiert und stimmt in den Lobpreis über das Leben ein, der Gott, dem Schöpfer, zukommt.
ARMUT
Bruder im miteinander Teilen
Die Welt lieben und gleichzeitig das Gelübde, arm zu leben – wie lässt sich das miteinander vereinbaren? Für Franziskus und seine Brüder ist nicht der Verzicht das eigentliche Motiv ihres Handelns, sondern es geht ihnen um die Freiheit, wie sie in der Person Jesu von Nazaret aufscheint.
In den Fußspuren des Meisters nehmen Franz und seine Brüder ein von Sicherheit und Bequemlichkeit freies Wanderleben auf sich. Mit leeren Händen gehen sie auf die Menschen zu: auf die Armen, deren Los sie teilen und auf die Bessergestellten, in deren Dienst sie für den Lebensunterhalt arbeiten. Dankbar für jeden Lohn, den man ihnen aushändigt, wollen sie sich nicht schämen zu betteln, wenn die Not es fordert.
Die Armut, welche das Gelübde meint, beginnt mit der Erfahrung, dass ich mir mein Leben nicht selbst verdanke. Alles, was ich bin und habe, ist Geschenk des himmlischen Vaters, und er sorgt für mich. Meine Sache ist es, mich ihm gegenüber immer neu arm zu machen, um für seine Geschenke empfänglich und aufmerksam zu bleiben.
Der einzelne Bruder erfährt sich getragen von seiner Gemeinschaft. Er teilt mit ihr nicht nur die materiellen Güter, sondern auch Talente, geistliche Werte und spirituelle Erfahrungen. Alles, was Brüder teilen können, geben sie Menschen, die bedürftig und dafür dankbar sind.
Mit allen Geschöpfen haben die Brüder schließlich nicht nur den Schöpfer gemeinsam, sondern auch den Lebensraum, den sie mit ihnen teilen, bereichern und gestalten.
KEUSCHHEIT
Ohne Frau und Kinder-
Bruder vieler Menschen
Auch der dritte «Rat» – ehelos und ohne Frau zu leben – steht quer zu unserer Zeit, die Intimität und Erotik mit nie dagewesener Freiheit entfaltet. Jesu Rat meint vom Wortsinn her allerdings nicht ein verklemmtes, asexuelles Leben, sondern frei und offen zu sein für das Leben. Ob alt oder jung: Lebensfreude und Sehnsucht, eine besondere Freiheit und die Bereitschaft, sich dem lebendigen Geist Gottes zu überlassen, zeichnen spirituell, in Keuschheit lebende Menschen aus.
Der Mensch ist vom Schöpfer als Frau und Mann geschaffen, um vereint ein Bild Gottes darzustellen und ganz Mensch zu sein. Jesu Engagement für das Reich Gottes hätte den Kreis einer Ehe und Familie überfordert. Er war als Freund und Bruder vieler Menschen dauernd unterwegs und lebte deshalb ehelos. Auf seinen Fußspuren erfahren auch die Brüder nicht nur Loslassen und Verzicht, sondern ebenso neuen und unerwarteten Reichtum ohne eigene Frau, doch hundertfach beschenkt mit «Müttern, Geschwistern und Kindern“. Aus Gott heraus fruchtbar, erlebt sich Franziskus sinnlich und zärtlich als Teil einer großen Familie, zu der Menschen, Tiere, Pflanzen, überhaupt alle Geschöpfe gehören – und doch erst ein Vorspiel ist auf die kommende Welt.