Neues Buch unseres Mitbruders Thomas Freidel über Assisi

„Il Signore ti dia pace!“ – „Der Herr schenke dir Frieden!“ Dieser Gruß des hl. Franziskus gilt den zahlreichen Pilgern und Touristen aus aller Welt, die jährlich die umbrische Kleinstadt Assisi besuchen. Zur Begegnung mit dem Leben und der Botschaft des Heiligen (1181/82–1226) gehört der Besuch der Basilika San Francesco, seines Grabesortes. Besondere Aufmerksamkeit erfahren die bedeutenden Fresken des Spätmittelalters, unter anderem des Giotto di Bondone, in der Ober- und Unterkirche.

Über die umfangreiche Reiseführer-Literatur hinaus besteht ein großes Interesse an einer franziskanisch geprägten Hinführung zur tieferen Botschaft dieser Kirche. Eben das ist das Anliegen dieses Großen Kunstführers „San Francesco in Assisi. Die Botschaft des heiligen Franziskus in Bildern“.

Die Broschüre von Br. Thomas Freidel OFM Conv., Pilgerseelsorger in Assisi, illustriert mit zahlreichen Aufnahmen von Stefan Diller, Gerhard Ruf und Ghigo Roli, erwuchs aus der täglichen Praxis der Führungen von Besuchergruppen durch die Basilika.

Die Ausmalung von San Francesco entstand in einer Zeit des rasanten Wandels und der tiefgreifenden Veränderung. Aus einer kaum strukturierten Gemeinschaft von Wanderpredigern waren die Minderbrüder in wenigen Jahrzehnten zu einem städtisch geprägten Orden geworden, der sich durch die Tätigkeit in Predigt, Seelsorge und Wissenschaft eine Zukunft in der Kirche sichern konnte. Die Herausforderung besteht heute darin, den Geist des Ursprungs in neue, veränderte Zeiten zu übersetzen, wie es der franziskanischen Familie im deutschsprachigen Raum seit nunmehr 800 Jahren aufgetragen ist.

Der Autor

Br. Thomas Freidel OFM Conv., geb. 1967 in der Pfalz, 1991 Eintritt in den Orden der Franziskaner-Minoriten. Ab 1996 als Diakon in der Pfarrseelsorge und Erwachsenenbildung tätig, seit 2008 Pilgerseelsorger in Assisi.

Der Fotograf

Der Würzburger Fotograf Stefan Diller kam erstmals auf einer Fahrradtour auf den Spuren des hl. Franziskus 1981 nach Assisi. Seit 1982 fotografiert er in der Basilika und hat an der Bebilderung vieler kunstgeschichtlicher Veröffentlichungen mitgearbeitet. Zusammen mit dem 2008 verstorbenen P. Gerhard Ruf war er Initiator der Digitalisierung des Fotoarchivs des Sacro Convento, das nun in der Biblioteca einen neuen Platz gefunden hat.

Interview mit Br. Thomas

Br. Thomas, Sie sind seit vielen Jahren Pilgerseelsorger in Assisi. Was ist das Besondere an diesem Ort und Ihrer Aufgabe?

Die Besonderheit ist zunächst natürlich die Nähe zu den Ursprungsorten der franziskanischen Bewegung und das Leben in unserer großen Konventsgemeinschaft mit über 60 Brüdern aus mehr als 20 verschiedenen Nationen. Die Aufgabe für uns besteht darin, den Menschen die Basilika San Francesco als einen Ort der Vermittlung der franziskanischen Botschaft zu erschließen. Die Begegnung mit Franziskus und Klara in Assisi setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen. Da sind zunächst die Lebensorte der beiden Heiligen, die mittelalterlich erhaltene Stadt und natürlich auch die herrliche Natur in der Umgebung. Die Grabeskirche des Franziskus bildet in ihrer Größe und reichen Ausstattung eine besondere Herausforderung, bei der ein wenig Erklärung und Einführung hilfreich ist. Dass man dem armen Minderbruder eine Grabeskirche ähnlich den Ruhestätten der Apostel in Rom erbaut hat, ist für viele zunächst befremdlich – die Botschaft dieses Ortes erschließt sich aber durch den genaueren Blick auf die mittelalterliche Architektur und Malerei. Natürlich gehören zu unseren Aufgaben auch die verschiedenen seelsorglichen Dienste, wie es an einem Wallfahrtsort typisch ist, bis hin zu ganz praktischer organisatorischer Hilfe in den Anliegen der Pilger und Touristen.

Jahr für Jahr begegnen Sie vielen tausend Besuchern bei Führungen in der Basilika. Was suchen Pilger und Touristen noch in der Stadt des hl. Franziskus?

Die Stadt hat seit jeher ein sehr vielfältiges Besucherpublikum, was auch für uns viel Abwechslung bei der Arbeit bringt. Neben den klassischen Pilgern eines katholischen Wallfahrtsorts ist Assisi auch Ziel von Christen verschiedener Konfessionen, was bereits vor dem Beginn der ökumenischen Bewegung der Fall war und durch den von den Päpsten geförderten Dialog der Weltreligionen in den vergangenen 30 Jahren noch erweitert wurde. Dazu kommen viele Jugendgruppen, oft auch von kirchlichen Schulen, dann natürlich die Kunstinteressierten, die von der mittelalterlichen Malerei begeistert sind und in den letzten Jahren zunehmend Frauen und Männer, die sich zu Fuß auf den Franziskuspilgerweg durch Mittelitalien machen. Die Motivationen sind also sehr verschieden, aber allen ist irgendwie gemeinsam, dass sie in Franziskus eine Art Sehnsuchtsgestalt sehen, welche die grundlegenden Werte verkörpert, die viele Menschen auf der ganzen Welt verbindet: Die Spurensuche nach Gott, dem Ursprung und Ziel des Lebens, der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit, die Verantwortung für Gottes Schöpfung.

Ihr erstes Buch ist mittlerweile in 9. Auflage erschienen, wurde auch ins Italienische übersetzt. Was hat Sie bewogen, nun ein zweites Buch zu publizieren?

Ich kam nicht mit der Absicht hierher, zum Buchautor zu werden, zumal es bereits zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte und Bedeutung der Franziskusbasilika gibt. Von den Teilnehmern bei den Führungen kam aber immer wieder die Frage, ob man diese Erklärungen auch irgendwo nachlesen könne. Dadurch wurde mir bewusst, dass trotz der Fülle der vorhandenen Literatur eine Vermittlung der franziskanischen Botschaft noch fehlte, in dem Stil, wie das bei den Führungen unser Anliegen ist. So erschien 2012 der kleine Kunstführer „…und verkündet aller Kreatur…“ In den letzten Jahren wurde immer häufiger der Ruf nach einer etwas ausführlicheren Veröffentlichung laut, was nun mit dem neu erschienen Band „San Francesco in Assisi. Die Botschaft des heiligen Franziskus in Bildern“ geschieht. Dieses zweite Buchprojekt gibt mir die Möglichkeit, noch weitere Inhalte – speziell aus den Fresken in der Oberkirche – weiterzugeben, für die oft bei einem Rundgang die Zeit fehlt.

Worum geht es in Ihrer neuen Broschüre „San Francesco in Assisi“?

Zunächst: Es ist verständlich, dass touristische Reiseliteratur oder Kunstführer nicht den Rahmen für eine Erschließung dieser Kirche vor dem Hintergrund der franziskanisch geprägten Theologie und Spiritualität bilden können. Dadurch geht aber ein wesentlicher Aspekt dieses Bauwerks verloren und genau da setzt dieses Buch an. Hauptbestandteile sind die Erklärung der Unterkirche als Grabesort des Heiligen und, zumindest in Ausschnitten, das zusammenhängende Konzept der Ausmalung der Oberkirche in seiner Verbindung der biblischen Heilsgeschichte mit dem Leben des Franziskus. Das Buch kann zur Vor- oder Nachbereitung eines Besuchs der Basilika verwendet werden, dank der beigefügten Schemata der Fresken dient es aber auch der Orientierung vor Ort. Erhältlich ist es selbstverständlich auch im neu restaurierten Klosterladen des Sacro Convento, im Innenhof hinter der Basilika.

Haben Sie in der Basilika ein Lieblingsfresko?

Zu einem persönlichen Lieblingsbild ist mir mit den Jahren die Darstellung des Franziskus im Fresko der „Allegorie des Gehorsams“ in der Unterkirche geworden (siehe Foto). Sie knüpft an das Evangelium an, das wir zum Franziskusfest am 4. Oktober lesen (vgl. Mt 11,29), wo Jesus vom Joch spricht, das seine Jünger auf sich nehmen sollen. Der Maler Giotto hat es so dargestellt, dass das Joch zum Symbol der Verbindung mit Gott wird, von dem Franziskus sich führen lässt. Trotz dieser Last steht er aufrecht und gerade da, denn dieses Joch drückt nicht – durch Rückbindung an Gott in Freiheit findet der Mensch den Weg zum Leben. Papst Franziskus hat bei seinem ersten Assisibesuch 2013 das Bild so gedeutet: „Den Frieden Christi findet, wer sein Joch auf sich nimmt, nämlich sein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Dieses Joch kann man nicht mit Arroganz und Hochmut tragen, sondern nur mit Güte und Demut.“

P. Gerhard Ruf, Ihr Vorgänger als deutschsprachiger Pilgerseelsorger in Assisi, hat sich um die Basilika sehr verdient gemacht, vor allem auch nach dem Erdbeben von 1997. Ist er auch im Buch „gegenwärtig“?

In den über 40 Jahren seiner Tätigkeit in Assisi hat P. Gerhard Ruf in vielfältiger Weise Spuren hinterlassen und somit ist er auch in diesem Buch in gewisser Weise präsent. Ihm verdanken wir wesentliche Einsichten in die Deutung der Freskenmalerei der Basilika, zudem hat er durch die Gründung und jahrelange Betreuung unseres Fotoarchivs den Grundstock für das qualitätsvolle Bildmaterial gelegt, das wir von dieser Kirche haben. An dieser Stelle ist auch Fotografenmeister Stefan Diller aus Würzburg zu nennen, der beim Aufbau des Archivs unverzichtbare Hilfe leistete und in dessen bewährten Händen auch die Zusammenstellung der Fotos sowie das Layout bei diesem neuerschienen Buch lag.