Gedanken zu Franziskus (Teil 4)

Franziskus und der hl. Bonventura

Der franziskanische Beitrag für dieses Monat kommt von unserem Kustos P. Bernhard:

Am 15. Juli 2024 begehen wir den 750. Todestag des heiligen Bonaventura. Er ist wohl der größte Gelehrte, den unser Orden je hatte. Zusammen mit dem hl. Thomas von Aquin prägte er die Theologie des Mittelalters und wurde 1588 zum Kirchenlehrer mit dem Titel „doctor seraphicus“ erhoben: Ein Kirchenlehrer ist ein Heiliger, der uns sozusagen einen bestimmten Weg zu Gott gezeigt und die Theologie maßgeblich beeinflusst hat.

Der hl. Bonaventura hat die Anfänge unseres Ordens stark geprägt, sei es durch sein theologisches Wissen, durch seine geistlichen Schriften, aber auch durch seinen Dienst als Generalminister. In dieser Zeit entstanden die beiden Biographien des hl. Franziskus (Leggenda minor und Leggenda maior) sowie die Konstitutionen, die auf dem Generalkapitel von Narbonne 1260 verabschiedet wurden und die Grundlage für die Regelauslegung bildeten.

Zu den bedeutendsten Werken Bonaventuras zählen neben dem Breviloquium (Bonaventuras theologische Summa) das Lignum vitae“ (Baum des Lebens) und das Itinerarium mentis in Deum“ (Der Weg des Menschen zu Gott).

Bonaventura beschreibt hier, wie der Mensch in seinem Leben Gott erkennen kann. Die Schöpfung ist gleichsam eine Leiter, auf der wir zu Gott aufsteigen können. Wenn man so will, vertieft Bonaventura einen Gedanken, den Paulus im Römerbrief zum Ausdruck gebracht hat: Jeder kann Gott erkennen. Denn in allem, was Gott geschaffen hat, hinterlässt er eine Spur, auf der wir zu ihm gelangen können.

Manche Passagen des Werkes sind vielleicht nicht immer leicht zu verstehen. Aber im Grunde lädt uns Bonaventura, wie die franziskanische Spiritualität überhaupt, ein, uns auf Gott einzulassen. Gott begegnet uns nicht nur in der sichtbaren Schöpfung, wir müssen auch die Reise in unser Inneres wagen. Immer tiefer in unsere eigene Wirklichkeit einzudringen und den innersten Kern unseres Selbst zu entdecken. Dort, wo wir das einzigartige Werk der Liebe und Barmherzigkeit Gottes entdecken. Wo wir uns als etwas Besonderes erfahren dürfen, als ein von Gott bedingungslos geliebter Mensch. Den der Herr ohne Zwang, aus reiner Liebe geschaffen hat und eines Tages vollenden wird.

Bonaventura lädt uns ein, mit offenen Augen und hörendem Herzen durchs Leben zu gehen. Die Stimmen zu überhören, die so gerne alles kritisieren und negativ bewerten. Im Gewirr der unzähligen Eindrücke die Stimme wahrzunehmen, die spricht: Fürchte dich nicht, ich habe dich geschaffen, du bist mein!